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23. März 2017

Baukultur und Identität in der Eifelregion

Kammern und Verbände haben früh auf massive baukulturelle Fehlentwicklungen in den Regionen hingewiesen. In Rheinland-Pfalz wie in anderen Ländern und auf Bundesebene gingen daraus
etwa ab dem Jahr 2000 die Initiativen „Architektur und Baukultur“ meist in Zusammenarbeit von Ministerien und Kammern hervor. Die Initiativen sollten die öffentliche Diskussion
über die Qualität des Planens und Bauens in Deutschland anregen und bündeln.

Nicht zuletzt Stuttgart 21 zeigt, wie nötig dieser Diskussionsprozess um Baukultur ist und dass er nur in einem gesellschaftlichen Umfeld wachsen und gedeihen kann. Das Verständnis vom Wert des baukulturellen Erbes und seiner Erhaltung ist historisch verankert und gründet sich auch in der Eifelregion auf baukulturelles Erbe von Rang.

Baukultur bezieht sich dabei gleichermaßen auf Architektur und Ingenieurbau. Darin fließen ein: Stadt- und Regionalplanung, Belange des Denkmalschutzes, Landschaftsarchitektur, Innenarchitektur sowie die Kunst am Bau. Werden Architektur und Baukultur in den gegenwärtigen räumlichen, infrastrukturellen, sozialen und ökonomischen Kontext der Städte und Kulturlandschaften wieder mit größerer Wertigkeit eingebunden, können auch gültige zeitgenössische Architekturleistungen gelingen.

Die Kultur des Bauens erschöpft sich nicht alleine im Errichten von Gebäuden, sie beginnt in der Wahl angemessener Verfahren und in einer Integrationsleistung, die soziokulturelle, ökologische, gestalterische, technisch-funktionale und wirtschaftliche Qualitätsbelange zu einer ausgewogenen, nachhaltigen Gesamtqualität zusammenführt. Das ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, lebendige Städte und Gemeinden mit hoher Lebensqualität zu schaffen und zu erhalten.

Dabei stellt sich die Frage: Was ist Qualität? Woran kann man sie erkennen, und wie kann sie deutlich gemacht werden? Das Vorgehen, dies über „best practice-Beispiele“ zu erläutern, bietet den Vorteil, architektonische Qualität nachprüfbar zu machen, weil sie realisiert wurde. Qualität entwickelt die innovative, stringente Idee, erst in und durch ihre Umsetzung.

Die Bruder-Klaus-Feldkapelle ist eine privat gestiftete und erbaute katholische Kapelle oberhalb der Ortschaft Mechernich-Wachendorf, am Nordrand der Eifel. Architekt: Peter Zumthor

Der bekannte Architekt Peter Zumthor stellt fest: „Architektur ist immer konkrete Materie. Architektur ist nicht abstrakt, sondern konkret. Ein Entwurf, ein Projekt aufgezeichnet auf Papier, ist nicht Architektur, sondern nur eine mehr oder weniger mangelhafte Repräsentation von Architektur, vergleichbar mit den Noten der Musik. Die Musik bedarf der Aufführung. Architektur bedarf der Ausführung. Dann entsteht ihr Körper. Und dieser ist immer sinnlich.“Diese Sinnlichkeit ist es letztendlich, die dazu beiträgt, dass sich Identität mit und in einer Region entwickeln kann. Identitäten kann man erforschen, feststellen, vielleicht sogar entwerfen. Bauen im klassischen Sinne kann man sie nicht. Bei Identität handelt es sich zuallererst um eine
personale Struktur der Selbst- und Außenwahrnehmung in all ihren Interaktionen, also um eine auf das Individuum bezogene Kategorie. Soll es um „überindividuelle, kollektive Identitäten“ gehen, um die Identitäten von Städten und Regionen, so entstehen diese ebenso wenig wie die individuellen Identitäten am Reißbrett.

 

 

 

 

Identiät, auch baukulturelle Identität geht einher mit Abgrenzung, mit Differenzierung. Erst mittels dieser Differenzierung, die auf historischen Potenzialen ebenso wie auf Zukunftsvisionen beruhen kann, bedingt die Möglichkeit der Wahrnehmung, Orts- oder Regionalidentität zu schaffen. Diese Identitätsstiftung beruht nicht allein auf dem Programm der Architekturen, selbst wenn die Architekten einige ihrer Bauten konkret mit dem Ziel des Stiftens von Aufmerksamkeit schaffen. Diese Aufmerksamkeit muss auch nicht unbedingt zur Identitätsbildung beitragen. Die Wahrnehmung der vielen Einzelnen, dazu die mediale Inspiration oder Verstärkung dieser Wahrnehmungen, verschafft den Eindruck eines identitätsstiftenden Orts- oder Landschaftsraums, manchmal auch den eines identitätsstiftenden Gebäudes. Ob dieser kulturelle Impetus jedoch allgegenwärtig bleibt oder zeitgeistigen Strömungen unterliegt, ist wiederum den Wahrnehmenden, ihrer jeweiligen Erinnerungskultur, ihrer gesellschaftlichen Verfasstheit, ihrer Meinungsbildung überlassen.

Identität, auch bauliche Identität, ist somit immer Teil der Umstände. Identität bauen ist kein baupolitisches Programm, schon gar nicht eine Zielformulierung im Bau kulturdiskurs, sondern eine immerwährende Heraus forderung an Architektur, Städtebau, Orts- und Regio nalplanung – damit an Architekten und Stadtplaner wie an Bewohner, Besucher, Nutzer gebauter und bebauter Räume.

Baukultur umfasst dabei gutes Planen und Bauen – sowie das Reden darüber. Baukultur ist also ein Prozess. Die Architekten stellen sich dieser Aufgabe und begrüßen es, dass sich der Eifelkreis Bitburg-Prüm dieser wichtigen soziokulturellen Verantwortung im Sinne fortschreibender Entwicklung ebenfalls stellt. Dass nach wichtigen Jahren der denkmalpflegerischen Bestandserkennung und -entwicklung nun auch im Hinblick auf eigene, neue Gestaltqualitäten, wie sie nur aus der Verbindung von Alt und Neu entstehen können, verstärkt geachtet werden soll, wird vielleicht ein Weg sein, um zu neuen „sinnlichen“ Qualitäten und zur Identitätsbildung vernachlässigter Orte zu kommen. „Historisches ist nicht, das Alte allein festzuhalten oder zu wiederholen, dadurch würde die Historie zu Grunde gehen historisch Handeln ist das, welches das Neue herbeiführt und wodurch die Geschichte fortgesetzt wird“, sagte der große preußische Baumeister Karl Friedrich Schinkel. Recht hatte er. Das Eintreten der Architektenkammer und des Dialogs Baukultur Rheinland-Pfalz in diesen und für diesen regionalen – aber dennoch auch bundesweiten – Prozess des Austausches ist deshalb nur konsequent – und geschieht aus sozialer Verpflichtung, die das Architektengesetz dem Berufsstand im § 15 des Architektengesetzes auferlegt.

Architekt Gerold Reker, Kaiserslautern, Vizepräsident der Architektenkammer Rheinland-Pfalz

 

Kontakt:

Zeitgemäßes Bauen im Eifelkreis Bitburg-Prüm. Eine Aktion des Eifelkreises und der Architektenkammer Rheinland-Pfalz. Bauen mit Plan: www.eifel-baukultur.de


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Autor(in): Klaus Schäfer
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